Zum fünften Mal fand in der Pfarreinegemeinschaft Bad Kötzting-Wettzell ein Oasentag statt. Diesmal wählte Pfarrer Winderl den Film “schwester weiß” aus, der am Freitag Abend gemeinsam angeschaut wurde. Danach wurde der Tag mit einem Abendgebet und Stille beendet. Am nächsten Morgen fand nach dem Morgenlob, bei dem Klänge aus dem Film zu hören waren, eine Austauschrunde statt, wo über die persönlichen Eindrücke aus dem Film reflektiert und die Brücke zum eigenen Leben und Glauben geschlagen wurde. Untertags konnte sich jede/r persönlich weiter mit den Themen aus dem Film auseinandersetzen. Beim Vorabendgottesdienst und am Sonntag um 08.30 Uhr konnte die ganze Gottesdienstgemeinde bei der Filmpredigt von Pfarrer Winderl über “schwester weiß” zum Nachdenken kommen.

Die gestaltete Mitte beim Austausch.

Eine kreative Auseinandersetzung mit dem Film in Form einer Collage.
Der nächste Filmeinkehrtag wird am 13./14.03.2026 stattfinden.
Hier die Filmpredigt im Wortlaut. Es gilt das gesprochene Wort:
„Weiß“ – das ist in diesem Film mehr als ein Nachname. Weiß – das steht für Leere, für Kälte, für ein Herz, das still geworden ist. Zwei Schwestern stehen im Mittelpunkt: Helene, die Lebendige, Wilde, die vom Glauben nichts wissen will. Und Schwester Martha, die Ordensfrau, die alles richtigmachen will – und doch in sich leer geworden ist. Beide tragen auf ihre Weise eine Wunde. Helene verliert durch einen Unfall ihr Gedächtnis – sie weiß nicht mehr, wer sie ist. Und Martha hat durch ihr Leben im „Funktionieren“ den Kontakt zu sich selbst verloren. Beide sind Suchende. Beide sind sie – wie es der Psalm sagt – Hirsche, die nach Wasser lechzen. Nur wissen sie es noch nicht.
Es gibt Zeiten im Leben, da fühlt sich alles so an wie dieser Film: weiß, leer, kalt. Wir tun, was getan werden muss, wir beten vielleicht sogar, gehen unseren Dienst – aber innerlich ist es still. So ergeht es Schwester Martha. „Ich bete und mache alles – aber da kommt nichts mehr“, sagt sie in der Beichte. Wer das kennt, weiß: Das ist schlimmer als Zweifel. Wenn man glaubt – und trotzdem nichts spürt. Wenn Gott schweigt, obwohl man schreit. Und doch: Vielleicht sind gerade diese stillen Zeiten die ehrlichsten im Glauben. Weil man da nichts mehr „leisten“ kann, sondern nur noch dürsten. Und das ist schon Gebet. Der Psalm 42 spricht davon: „Wie der Hirsch lechzt nach frischem Wasser, so lechzt meine Seele nach dir, Gott.“ Da ruft einer, der durstig ist. Und Gott hört ihn – auch wenn’s lange still bleibt.
Der Film erinnert an das Evangelium vom barmherzigen Vater. Zwei Kinder – zwei Wege – und ein Vater, der ganz anders liebt, als sie es erwarten. Helene ist wie der jüngere Sohn: wild, frei, rebellisch. Martha wie der ältere: pflichtbewusst, korrekt, immer bemüht, alles richtig zu machen. Beide suchen Liebe – und beide spüren: Ich bekomme sie nicht so, wie ich sie mir wünsche. Martha will endlich gesehen werden – von ihrer Schwester, von Gott. Sie betet, arbeitet, gehorcht – und fühlt sich trotzdem übersehen. Wie oft ist das auch unser Ringen: Wir geben alles, und am Ende bleibt die Frage: Wofür eigentlich? Sieht mich jemand? Sieht mich Gott?
Der Jüngere glaubt, Gott müsse ihm Freiheit nehmen. Der Ältere glaubt, Gott müsse ihn belohnen. Beide irren sich – und beide müssen lernen: Gott ist anders.
Im Gespräch mit dem Bürgermeister sagt Martha: „Wir Schwestern dienen rund um die Uhr. Da gibt es keine Überforderung. Und glauben Sie mir: Der liebe Gott lässt sich auch nicht immer blicken.“ Da spürt man: Sie ist müde. Ihr Glaube ist ein Stück weit ein Versuch, Gott festzuhalten. Wenn ich nur genug bete, genug diene, genug tue – dann muss Gott mich doch sehen! Aber Gott lässt sich nicht festhalten. Er kommt, wenn wir loslassen. Er kommt, wenn wir aufhören, ihn verdienen zu wollen. So wie Naaman, der erst heil wird, als er sich einfach ins Wasser fallen lässt. Nicht das Große heilt, sondern das Einfache: Vertrauen. Vielleicht führt Gott auch uns manchmal durch die Leere, damit wir endlich aufhören, zu leisten – und anfangen, zu empfangen.
Im Film kommt der Wendepunkt, als Helene – die Atheistin – sagt: „Ich überlasse die Entscheidung meiner Schwester. Sie kennt mich am besten.“ In diesem Satz liegt alles, wonach Martha sich gesehnt hat: Anerkennung. Vertrauen. Nähe. Zum ersten Mal wird sie nicht für ihre Leistung gebraucht – sondern einfach gesehen. Nicht, weil sie fromm ist. Nicht, weil sie stark ist. Sondern weil sie Schwester ist.
Das ist der Moment, in dem ihr Herz sich öffnet. Wo aus Pflicht wieder Beziehung wird. Wo Gott endlich hineinfindet – durch einen Satz, durch Vertrauen, durch Liebe. So wie der Vater im Evangelium: Er läuft seinem Sohn entgegen, nicht weil der alles richtig gemacht hat, sondern einfach, weil er ihn liebt.
Am Ende des Filmes steht keine große Predigt, kein himmlisches Zeichen, sondern ein Hirsch auf einer Lichtung. Martha steht bei der Beerdigung, sie dreht sich um – und sieht dieses Tier, still, aufmerksam, lebendig. Für sie ist das der Augenblick, in dem Gott ihr antwortet. Nicht mit Worten, sondern mit Gegenwart. Nicht mit Anerkennung, sondern mit Nähe. Da fließen die Tränen – und das Eis in ihr beginnt zu schmelzen. Sie kann endlich trauern. Und in diesen Tränen liegt Heilung. „Wie der Hirsch lechzt nach frischem Wasser, so lechzt meine Seele nach dir.“ Dieser Vers erfüllt sich – mitten im Schmerz, mitten im Schweigen.
Schwester Martha hat ihr Leben lang versucht, Gott gerecht zu werden. Aber am Ende lernt sie: Nicht ich muss Gott gerecht werden – sondern Gott ist gerecht und barmherzig zu mir. Er schaut anders. Nicht auf Leistung, sondern auf Sehnsucht. Nicht auf Erfolg, sondern auf das Herz.
Und vielleicht ist das die tiefste Botschaft des Films und des Evangeliums zugleich: Dass Gott uns manchmal durch die Leere führt, um uns wieder durstig zu machen. Dass er uns das Wasser des Lebens nicht als Lohn gibt, sondern als Geschenk.
Vielleicht gibt es in jedem von uns ein Stück „Schwester Weiß“ – eine Leere, eine Wunde, ein Schweigen Gottes. Aber vielleicht ist dieses Weiß nicht das Ende, sondern der Raum, in dem Gott neu anfangen will zu schreiben. Wenn wir – wie Martha – loslassen, und – wie Helene – Vertrauen schenken, dann kann Gott uns finden. Manchmal mitten im Schnee. Manchmal auf einer stillen Lichtung. Und manchmal einfach da, wo unsere Seele dürstet – und Gott schon längst wartet. Amen.